Jo Enzweiler über August Clüsserath
Den Maler August Clüsserath habe ich, damals noch selbst im Studium der Rechtswissenschaft, zum ersten Mal gesehen, als er, mehrmals im Monat seinen Künstlerkollegen Josef Steilen, den ich schon länger kannte, zum Gedankenaustausch besuchte. Seit dieser Zeit - etwa Herbst 1954 - habe ich Clüsserath nicht mehr aus dem Auge verloren.
Mit der Gründung der „neuen gruppe saar”, die im wesentlichen auf meinen Lehrer Boris Kleint zurückging, kam ich in das unmittelbare Umfeld des August Clüsserath. Das Verdienst Boris Kleints war, dass er bei der mutigen Gründung einer avantgardistischen Künstlergruppe aus seinem regionalen Umfeld die Künstlerpersönlichkeiten mit auf den Weg nahm, die nach seiner Kenntnis der damaligen Situation der Bildenden Kunst neuen Ideen Ausdrucke verliehen, die große Beachtung finden sollten. Zu diesen gehörte für Boris Kleint auch August Clüsserath. Schnell stellt sich für uns als junge ungestüm nach vorne drängende Künstler heraus, dass da jemand war, der trotz oder gar wegen seines für uns schon fortgeschrittenes Alters über ein künstlerisches Repertoire verfügte, das durch seine Fülle, Stringenz und Radikalität in Erstaunen versetzte.
Häufig stellte August Clüsserath in Werkstattgesprächen, die wir in den 1960er Jahre langfristig führten, seine eigene Arbeit offen zur Diskussion. Fotografisch dokumentiert ist ein solches Treffen, das mehrmals im Atelierhaus der Monika von Boch im Mettlach stattfand, bei dem u.a. heftig über Sinn und Qualität von Zeichnungen, die danach Clüsserath beschäftigten, diskutiert wurden. Noch heute steht für mich fest, dass gerade diese Werkgruppe, von der wir dann eine Zeichnung im ersten Katalog der „neuen gruppe saar” abgebildet haben, in ihrer vorausschauenden Radikalität‚ die bis heute Bestand hat, ja gerade erst ihre Bestätigung erfährt. War August Clüsserath für den Insider eine Persönlichkeit, die mit untrüglichem Instinkt an der Erfindung der Moderne mitgearbeitet hat, so blieb er doch in seiner Region ein teilweise Belächelter (weil nicht Verstandener), teilweise gänzlich Unbekannter zu Lebzeiten. Die Kraft seiner künstlerischen Aussage erweist sich im Nachhinein mit besonderer Evidenz.
Es ist das Verdienst von Lorenz Dittmann, dass er als Kunstwissenschaftler sehr früh, auch im Rahmen seiner Lehrtätigkeit, auf das Werk von August Clüsserath hingewiesen hat, in dem er sich mündlich und schriftlich zu ihm geäußert hat und Schüler dazu angeregt hat, sich mit Aspekten seines Werkes zu befassen. So ist die vorliegende Darstellung aus seiner Hand ein wichtiger Beitrag zur Rezeption einer Künstlerpersönlichkeit, die in ihrer überregionalen Bedeutung zur Identitätsfindung einer Region beiträgt.
Die Arbeit des Instituts für aktuelle Kunst, die sich zum Ziel gesetzt hat, wichtige Dokumente, Erkenntnisse und Einsichten auf dem Gebiet der Bildenden Kunst zu erfassen, zu untersuchen und vor dem Vergessen zu bewahren, beruht auf der mittlerweile mehrfach belegbaren Erkenntnis, dass unsere Region - wie man sie auch immer abgrenzen mag, bemerkenswerte Beiträge zur Entwicklung einer überregional erkennbaren Kultur liefert: Regionalität und Internationalität bedingen sich gegenseitig. Nachdem die theoretische Auseinandersetzung mit dem Werk voranschreitet, besorgt uns, in welcher Weise das Werk in Zukunft auch einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden kann.
Über Jahre hinweg haben sich Dora Clüsserath und später die Tochter Thea und der Sohn Carsten in vorbildlicher Weise um die im Nachlass befindlichen Arbeiten bemüht. Darüber hinaus haben immer wieder Künstlerkollegen und Einzelpersonen durch Vermittlung in Ausstellungen das Werk präsent gehalten. Immer noch fehlt aber eine wie auch immer geartete Dauerpräsentation. Nach dem Tod von Carsten Clüsserath haben nun, auf Vermittlung von Josef Gros, Gabriele und Ernst Clüsserath die Sicherstellung des Nachlasses bewerkstelligt. Damit ist ein Zustand erreicht, der nicht allen Nachlässen in der Region widerfährt. Seit einigen Jahren ist das Institut für aktuelle Kunst darum bemüht, die Öffentlichkeit auf die Notwendigkeit, ja vielleicht sogar Verpflichtung, hinzuweisen, dass es nicht angeht, dass bedeutende Teile unseres regionalen künstlerischen Erbes unbeachtet, unbetreut in Vergessenheit geraten. In einem - auch überregional vielbeachteten wissenschaftlichen Symposion hat das Institut für aktuelle Kunst diesen Zustand thematisiert und versucht seither Ansätze zu pragmatischen Lösungen zu entwickeln, wie z.B. im Augenblick mit dem Vorschlag der Einrichtung eines Zentrums für Künstlernachlässe.
Die Nachlassverwalter des Werks von August Clüsserath, auch dies ein Novum in unserer Region, haben ihrerseits das Institut für aktuelle Kunst mit der Herausgabe der vorliegenden Publikation beauftragt und als Sponsoren die gesamten Kosten dafür übernommen. Unser ausdrücklicher Dank gilt dieser vorbildhaften Geste - vorbildhaft weil hier Privatpersonen ein Bürgerengagement praktizieren, das seinerseits wieder Nachahmer finden sollte. Darüber hinaus steht der bedeutende Nachlass August Clüsseraths (nach Auskunft von Ernst und Gabriele Clüsserath) einer eventuell zu gründenden Einrichtung für regionale Künstlernachlässe grundsätzlich zur Verfügung.
Das Bemühen um den Erhalt eines bedeutenden Beitrages unserer regionalen Kultur hat also mit der vorliegenden Publikation eine wichtige Etappen hinter sich gebracht. Das Werkverzeichnis von August Clüsserath sieht sich in der Folge der bisher vom Institut für aktuelle Kunst erarbeiteten Werkverzeichnisse über Paul Schneider, Werner Bauer, Boris Kleint und Paul Antonius: Weitere werden folgen. Bei der komplexen Realisierung dieses Projekts haben auf verschiedenen Ebenen Viele mitgeholfen, die wir namentlich im Impressum auflisten, um so unseren besonderen Dank zum Ausdruck zu bringen.