August Clüsserath - Leben und Werk bis 1955

Von Leben und Werk eines ungemein vielseitigen, dabei radikalen und höchst konsequenten Malers wird hier berichtet, von August Clüsserath.
Geboren 1899 in Völklingen-Fenne als Sohn des katholischen Hauptschullehrers August Clüsserath, besucht er von 1905 bis 1909 die Volksschule in Fenne und anschließend bis 1917 das Ludwigsgymnasium in Saarbrücken. Im Januar 1917 wird er zum „vaterländischen Hilfsdienst" eingezogen, und da ihn der Vater von der Schule abmeldet, entgeht ihm das Abitur.

Feldpostkarte an seinen Bruder Wilhelm. abgeschickt am 8.7.1917 aus TrierEr selbst schreibt in seinem Lebenslauf: „Da ich schon immer Maler werden wollte, habe ich keinen Wert darauf gelegt.“ Von März bis August 1918 dient Clüsserath an der Westfront. Vom Vater für eine Architekturausbildung vorgesehen, arbeitet August von 1919 bis 1925 in verschiedenen Baugeschäften, besucht aber auch zwei Jahre lang das Konservatorium in Saarbrücken. Das Technikum schließt Clüsserath nicht ab, da er immer noch den Drang verspürt, Maler zu werden. So besucht er von 1926 bis 1932 die Staatliche Kunst- und Kunstgewerbeschule in Saarbrücken, studiert vier Semester in den Vor- und Malklassen von Fritz Grewenig, Christoph Voll, Adolf Bauer und Oskar Trepte, bei letzterem sieben Semester als Meisterschüler.

Es entstehen Zeichnung und Gemälde, Akte, Porträts, Landschaften und Stillleben. Siehe auch 1. Werkphase …

Schüler und Lehrer der Staatlichen Kunst- und Kunstgewerbeschule in Saarbrücken um 1928: Links unten Fritz Grewenig, on der Mitte Oskar Trepte, rechts daneben Christoph Voll, dahinter August Clüsserath1931 nimmt er erstmals im Kunstsalon Kuschel in Saarbrücken an einer Ausstellung teil. Von 1932 bis 1939 arbeitet er als freier Maler und geht ganz in seiner Arbeit auf. In seinem Lebenslauf schreibt er: „Die Akademie habe ich deshalb nicht besucht, weil mir klar geworden war, dass sie von einem gewissen Grade an der Entwicklung nicht nur überflüssig, sondern sogar schädlich sein kann, dann, wenn das Leben ganz in die Kunst eingegangen ist und das Leben nur noch in Kunst mündet, wie das bei mir von da ab der Fall war.” Bis 1939 entstehen zahlreiche Gemälde und Zeichnungen, vor allem Landschaften.

1940 aber geht August Clüsserath nach Berlin, um dort bis 1945 als Abrechner und Techniker beim Norddeutschen Hoch- und Tiefbau zu arbeiten, und erklärt zur Begründung: „Nach der Saarevakuierung habe ich es wegen der ständigen Bespitzelung, Verfolgung und Ablehnung meiner Arbeiten durch den NS-Staat vorgezogen, nach Berlin zu gehen, um dort in einem anderen Beruf zu arbeiten." In Berlin lernt August Clüsserath seine spätere Frau Dora kennen, die er 1942 heiratet. 1942 wird seine Tochter Dorothea geboren, ein Jahr darauf sein Sohn Carsten. Nur neun Gemälde sind aus dieser Zeit verzeichnet.

In Demmin ist Clüsserath von 1945 bis 1948 als freier Maler tätig, wird Mitglied des Kulturausschusses des Landes Mecklenburg, lehnt aber die Stelle des Referenten für Bildende Kunst dieses Landes ab, weil, so schreibt er, „schon damals die Gleichschaltung der Kunst in der Ostzone nach Diktatorenart vorauszusehen” war.

August Clüsserath in Metz1947 beteiligt er sich an der Ausstellung Mecklenburgischer Künstler im Landesmuseum Schwerin. In einer Besprechung heißt es „Eines der beglückendsten Werke der Ausstellung ist das Ölbild ,Meyenkrebs-Brücke in Demmin’ von August Clüsserath‚ Wie viel lichte Atmosphäre vermag dieser Künstler mit verhältnismäßig grobem, schwerem Pinsel zu schaffen!” Als Clüsserath 1948 beim Kulturbund im Museum der Stadt Rostock ausstellt, heißt es jedoch: „dagegen werden uns die primitiv linearen holzschnitte von a.c., demmin-woldeforst, trotz ihrer guten raumbeherrschung und den bis zu schriftzeichen zusammengezogenen gekonnten, abstrakten formen über eine individuelle aussage hinaus nichts wesentliches mehr geben können." Ein anderer Aspekt der Clüsserath’schen Kunst stieß also auf Unverständnis.

1949 kehrt August Clüsserath mit seiner Familie in das Saarland zurück. In der Zeitung veröffentlicht er einen Artikel über die Kulturpolitik der Deutschen Demokratischen Republik und beklagt, dass die Sowjets den Begriff „Realismus“ zur „Bezeichnung für den plattesten Naturalismus gemacht hätten" und dieser sozialistische Realismus „primitive Tendenzmalerei“ sei. In einem weiteren Artikel berichtet er verbittert, sein „Meister sei ein russischer Sergeant der Kommandantur" gewesen: „Morgens um acht antreten ‚Dienst an der Kunst' bis abends um sieben — eine Viertelstunde Frühstück, eine halbe Stunde Mittag! Motive waren reizende Bildchen der Allgewaltigen aus dem Kreml. So malte oder besser gesagt kopierte Clüsserath kleine und große Stalins, Molotows, Wyschinskys usw. - genau nach Vorschrift, versteht sich."

1950 wird die „Neue Sezession" von den saarländischen Künstlern Fritz Berberich, August Clüsserath, Hans Dahlem, Max lviertz, Josef Steilen und Jean Schüler gegründet und stellt im selben Jahr im Saarlandmuseum Arbeiten in der Tradition des Kubismus aus. Clüsserath ist mit 28 Werken vertreten. Die „Volksstimme“ schreibt am 16. Juli 1950: „Modern war diese Kunst vielleicht vor dreißig Jahren, Inzwischen glaubten wir sie überwunden und die Künstler auf moderneren Wegen. Nur deshalb, weil sie einmal als entartet galt, ist sie heute noch lange nicht unfehlbar." „Völkisches“ wirkt offenbar noch nach.

Als sich am 3. August 1950 der „Saarländische Künstlerbund” nach einer kurzfristigen Auflösung neu gründet, geht die „Neue Sezession" vollständig in ihm auf. Clüsserath ist an der HerbstausstelIung des „Künstlerbundes“ im Saarlandmuseum beteiligt. Seine Gemälde zeichnen sich durch großflächige, stark vereinfachte Formen aus. Die „Saarländische Volkszeitung" meint dazu in ihrem Bericht vom 1. Dezember 1950: „Eine zunächst überraschende, scheinbar naiv-stilisierende Darstellungsweise, deren künstlerische Werthaftigkeit sich erst dem nachdenkenden Sinn erschließt." ähnlich verständnisvoll spricht die „Saarbrücker Zeitung“ von „unperspektivischen Dekorationen … wie Ausschnitte aus großen Wandflächen, Fresken, wie aus ägyptischen Ruinen gebrochen.” Siehe auch 2. Werkphase …

1951 stellen die Künstler der „Neuen Sezession" in der Galerie Saint Placide in Paris aus. Gezeigt werden geometrische Abstraktionen in der Tradition der Bauhauslehre. Die Kritik bescheinigt Clüsserath „un style très personnel un peu rude.“ In Saarbrücken zeigt Clüsserath eine Einzelausstellung in der Galerie Elitzer und nimmt an der Herbstausstellung des Saarländischen Künstlerbundes teil. Auch von 1952 bis 1955 beteiligt er sich an diesen Ausstellungen.

Am 23. November 1955 schreibt die „Neue Woche” anlässlich der Weihnachtsausstellung des Saarländischen Künstlerbundes: „Von August Clüsserath kann man wohl nicht annehmen, dass er ernst genommen werden will, wenn er drei gelbe Eier zwischen genau sechs gelbe und zwei schwarze Striche pinselt. Man freut sich über jede Stelle des Papiers, die von diesen Stricheleien verschont geblieben ist."
Am selben Tag heißt es in der „Volksstimme“: so kommt man aber nicht an dem seltsamen Einzelgänger August Clüsserath vorbei, der nach Mertzens Materialvergeudung gerade die größte Sparsamkeit an Farben, Pinselstrichen und Ideenaufwand übt. Er lässt seine Bilder fast gänzlich frei, und wo nichts ist, da ist wohl eben nichts.“  „…die mageren Pinselstriche von August Clüsserath mit Bezeichnungen wie ‚Komposition 55/371' sind keine geringe Zumutung für den Beschauer und für den Geist einer angeblichen Kunstausstellung“, meint die „Saarländische Volkszeitung" vom 23. November 1955.

1955 ist die Kunst- und Kulturszene im Saarland von reaktionären Stellungnahmen geprägt. Unter französischer Verwaltung waren Ausstellungen zur Klassischen Moderne gefördert worden. Nun lehnte man in einem politischen Kampf, in dem es „für Deutschland“ oder „für Frankreich“ ging, alles „Französische“ ab. „Französischen Einfluss“ glaubte man auch in der Malerei vom Expressionismus bis zur Abstraktion zu erkennen. August Clüsserath notiert in seinen Aufzeichnungen: „nationale kunst ist heute eine unmöglichkeit, sie schafft grenzen, wo keine sind. sie ist ein blicken nach außen, im besten falle ein zurückbleiben. kunst und kultur kennen keine grenzen."

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